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Wissenschaftlicher Name
Podisma pedestris (Linnaeus, 1758)
Deutscher Name
Gewöhnliche Gebirgsschrecke
Organismengruppe
Heuschrecken und Fangschrecken
Rote-Liste-Kategorie
Stark gefährdet
Verantwortlichkeit Deutschlands
In besonderem Maße für hochgradig isolierte Vorposten verantwortlich (diese werden in den Kommentaren benannt, sofern dies nicht auf alle Vorkommen in Deutschland zutrifft)
Aktuelle Bestandssituation
sehr selten
Langfristiger Bestandstrend
sehr starker Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
Abnahme im Ausmaß unbekannt
Vorherige Rote-Liste-Kategorie
Stark gefährdet
Kategorieänderung gegenüber der vorherigen Roten Liste
Kategorie unverändert
Kommentar zur Verantwortlichkeit
P. pedestris ist ein boreo-alpines Glazialrelikt, das in Deutschland nur im Alpenraum vermehrt angetroffen werden kann (Maas et al. 2002, Heusinger & Voith 2003). Diese Vorkommen sind im Verbund Teil einer großen alpinen Population (vgl. Heusinger & Voith 2003, Baur et al. 2006, Forsthuber 2017). Die deutschen Vorkommen nördlich der Alpen sind hingegen sehr klein und zumeist stark isoliert (Maas et al. 2002). Aktuelle Nachweise aus dem Jahr 2019 gibt es von der Schwäbischen Alb (Baden-Württemberg) und der Frankenalb (Bayern). Ob die Population in der Königsbrücker Heide (Sachsen) noch existiert, ist unklar (siehe artspezifischer Kommentar zur Gefährdung). Historische Nachweise liegen nicht nur für Bayern und Sachsen, sondern auch für Sachsen-Anhalt vor (Maas et al. 2002, Wallaschek et al. 2004). Ein 1873 in der näheren oder weiteren Umgebung Hamburgs gesammeltes Weibchen (Beuthin 1876, Weidner 1938) kann laut Winkler & Haacks (2019) nicht eindeutig verortet werden. Die historischen Funde deuten darauf hin, dass die Art in Deutschland ehemals ein deutlich größeres Areal besiedelte. Ein Großteil der aktuellen, außeralpinen Vorkommen ist daher als einfache Vorposten anzusehen. Lediglich für die kleine Population im Oberen Donautal kann eine hochgradige Isolation angenommen werden (Kriterium 2: Li). Schotteralluvionen, die zum Beispiel im Alpenraum zur Vernetzung der Habitate beitragen, gibt es dort nicht. Die Art kommt im Oberen Donautal nur an wenigen, nahe benachbarten Felsköpfen vor (Detzel et al. 2022). Vor dem Hintergrund der nacheiszeitlichen Landschaftsgenese kann von einer mehr als 4.000-jährigen Isolation dieser Reliktpopulation ausgegangen werden. Deutschland ist somit in besonderem Maße für diesen hochgradig isolierten Vorposten verantwortlich (siehe auch Detzel & Maas 2004).
Kommentar zur Gefährdung
Podisma pedestris musste in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts massive Bestandseinbußen hinnehmen (Maas et al. 2002, Reinhardt et al. 2005). Die letzten Vorkommen der Art sind zumeist klein und stark isoliert. Dies betrifft sowohl die Populationen innerhalb als auch außerhalb der Alpen (Maas et al. 2002, Heusinger & Voith 2003). Langfristig müssen die Bestände daher wie bei Maas et al. (2011) als sehr stark rückläufig eingeschätzt werden. Auf Basis der TK25-Rasterfelder konnte für den kurzfristigen Bestandstrend keine nennenswerte Bestandsveränderung ermittelt werden. Gegenüber dem Referenzzeitraum (1990er-Jahre), für den 19 Rasterfeldnachweise vorliegen, sind im aktuellen Zeitraum 20 Rasterfelder besetzt. Allerdings wurden zahlreiche Populationen schon länger nicht bestätigt. Die letzten Nachweise stammen aus der ersten Hälfte der 2000er-Jahre (u.a. Rasterfeld Nr. 6337 und Nr. 6434). Viele der zumeist individuenschwachen Vorkommen sind durch Verbuschung bedroht (Hemp 2000, Lakeberg 2000, Detzel et al. 2022). Dies gilt beispielsweise auch für die letzte Population in Sachsen (Königsbrücker Heide, Nr. 4649) (Zinner et al. 2000). Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz findet seit Mitte der 1990er-Jahre großflächig Prozessschutz statt (Böhnert 2017). Die offenen Heidelandschaften haben sich seitdem größtenteils in Sukzessionswälder entwickelt. P. pedestris konnte für das Gebiet zuletzt im Jahr 2011 bestätigt werden (R. Moritz, schriftl. Mitteilung 2022). Nachsuchen in den Sommern 2021 und 2022 waren erfolglos (T. Bittner, schriftl. Mitteilung 2022). Zudem ist noch unklar, ob der Klimawandel die außeralpinen Populationen gefährdet (Voith et al. 2016). Laut Detzel et al. (2022) nehmen die wenigen Bestände in Baden-Württemberg derzeit mäßig ab. Für Bayern – dem Hauptverbreitungsgebiet der Art in Deutschland – gehen Voith et al. (2016) von einer Abnahme unbekannten Ausmaßes aus. Das Autorenteam folgt dieser Einschätzung. Der kurzfristige Bestandstrend wurde daher von „stabil“ in „Abnahme unbekannten Ausmaßes“ korrigiert. In Kombination mit den Kriterien „Aktuelle Bestandssituation“ (sehr selten) und „Langfristiger Bestandstrend“ (sehr starker Rückgang) wäre P. pedestris demnach vom Aussterben bedroht. In den Alpen gibt es allerdings einzelne Populationen, die aufgrund ihrer Größe in den nächsten zehn Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aussterben werden. Dies betrifft insbesondere den Raum Berchtesgaden (vgl. Heusinger & Voith 2003, Voith et al. 2016, König et al. 2022). Diese Vorkommen von P. pedestris werden als stabile Teilbestände bewertet, sodass die Rote-Liste-Kategorie von „Vom Aussterben bedroht“ zu „Stark gefährdet“ herabgestuft wird (siehe Ludwig et al. 2009).
Einbürgerungsstatus
Indigene oder Archäobiota
Quelle

Poniatowski, D.; Detzel, P.; Drews, A.; Hochkirch, A.; Hundertmark, I.; Husemann, M.; Klatt, R.; Klugkist, H.; Köhler, G.; Kronshage, A.; Maas, S.; Moritz, R.; Pfeifer, M.A.; Stübing, S.; Voith, J.; Winkler, C.; Wranik, W.; Helbing, F. & Fartmann, T. (2024): Rote Liste und Gesamtartenliste der Heuschrecken und Fangschrecken (Orthoptera et Mantodea) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (7): 88 S.